Die Farbe Weiß

von Raymonde Harland erschienen in "katzen extra"12/97

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kimba the fabulous, maine coon

Die Farbe, die uns noch fehlt, ist das dominante Weiß, auch epistatisches Weiß genannt. Auch hier ist das mutierte Gen W gegenüber dem Wildtyp w dominant, sogar dominant gegenüber sämtlichen Farb- und Zeichnungsgenen.

Eigentlich ist Weiß gar keine Farbe, sondern die Abwesenheit von Farbstoff. Eine weiße Katze ist also eigentlich eine farblose Katze. Damit ist auch schon der biologische Prozeß angesprochen, der eine Katze weiß werden läßt. Farblosigkeit ist eine Defekt-Mutation (Leuzismus) mit weitreichenden physiologischen Auswirkungen. Das Gen W bewirkt in der frühembryonalen Entwicklung eine Fehlentwicklung von Strukturen der Neuralleiste. Die sich differenzierenden Zellreihen werden gestört, bzw. die Wanderung der Neuroblasten und Melanoblasten welche für die Pigmentbildung zuständig sind, wird gestört. Damit gibt es am Körper keine pigmentbildenden Zellen mehr. Bereiche, die mit dem Zentralnervensytem unmittelbar zusammenhängen, besonders das Auge haben zumindest eine gewisse Anzahl pigmentbildender Zellen, sodaß die Augen von weißen Katzen blau bis orange gefärbt sind, je nachdem, wie hoch die Anzahl der Pigmentzellen ist.

In engem Zusammenhang stehen bei diesem Vorgang wenig Pigmentzellen = Blauäugigkeit und Störungen des Gehörs, denn die Sinneshaare im Innenohr erhalten durch Pigmenteinlagerungen erst ihre Stabilität.  Ist kein oder nur wenig Pigment ins Innenohr gewandert bevor die Wirkung des Leuzismus einsetzte, so ist das Gehör nicht voll funktionsfähig oder die Katze ist sogar taub. Dies ist nur ein Erklärungsversuch für die Taubheit bei weissen Katzen, denkbar sind auch andere Gründe, nach denen das Gen W nur den Weg ebnet für andere Gene, die eine vollständige Ausbildung des Innenohres verhindern. Taubheit kommt also bei blauäugigen weißen Katzen häufiger vor, auch darüber gibt es aber noch keine wissenschaftliche Studie, sondern nur Beobachtungswerte. Andererseits sind orange Augen nicht unbedingt eine Garantie für ein gutes Gehör. Klarheit kann hier nur ein audiometrischer Test bringen. Taube Katzen sind von der Zucht auszuschließen.

Kimba the Fabulous, Maine Coon

Blauäugigkeit bei weißen Katzen kann auch zu einer Störung des Sehvermögens führen. Der Augenhintergrund von Katzen wirft durch das Tarpetum Lucidum , eine stark reflektierende Schicht, das ins Auge fallende Licht zurück. Das Licht passiert also die Netzhaut zweimal an der selben Stelle. Die Katze sieht also alles doppelt so hell, deshalb kann sie bei Dämmerung noch gut sehen. Bei Katzen mit blauen Augen fehlt manchmal das Tapetum Lucidum, sie sehen also nur halb so gut bei Dämmerung, wie ihre gefärbten Artgenossen. Mit einem einfachem Test kann man bei einer Katze feststellen, ob das Tapetum Lucidum vorhanden ist: die Katze wird aus geringer Entfernung mit Blitzlicht fotografiert. Das Blitzlicht muß dabei möglichst nahe an der Linse der Kamera plaziert sein. Erscheinen auf dem Bild die Augen rot, wie bei einem Menschen, ist keine reflektierende Schicht (Tapetum Lucidum) vorhanden. Erscheinen die Augen giftgrün, ist die Schicht vorhanden.

Ein wenig beachtetes Handicup weißer Katzen ist, daß sie leicht einen Sonnenbrand bekommen können, wie alle nicht-pigmentierten Lebewesen. Dadurch steigt auch das Hautkrebsrisiko.

Das Haar weißer Katzen benötigt besonders viel Pflege. Wie oben schon erwähnt, stärkt Pigmenteinlagerung das normal gefärbte Haar. Da Pigment fehlt, ist das Haar besonders weich und filzt leichter.

Alle diese möglichen Störungen zeigen sich öfter bei reinerbig weißen Katzen W/W. Deshalb ist in den meisten Zuchtverbänden die Verpaarung zweier weißer Katzen verboten. Aus der Verbindung einer reinerbig weißen mit einer nicht-weißen Katze ergibt sich das Allelen -Paar W/w, alle Nachkommen tragen also ein weißes Fell und sind mischerbig für weiß.

Katze weiß Kater farbig w w
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 Da es heute kaum noch reinerbig weiße Katzen in der Zucht gibt, fallen aus den meisten Verpaarungen auch farbige Jungtiere, im Durchschnitt zu 50%. 

Katze weiß Kater farbig w w
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 Bei der Verpaarung von zwei mischerbig weißen Tieren, würden wieder reinerbig Weiße mit den verstärkten Problemen entstehen, im Durchschnitt zu 25%.

Katze weiß Kater weiß W w
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Die Zucht von weißen Katzen erfordert also genaue genetische Kenntnisse und große Sorgfalt, sowie Verantwortungsgefühl. Für viele Menschen ist eine weiße Katze mit blauen Augen der Inbegriff einer Rassekatze. Es wäre schade, wenn diese Varietät vom Gesetzgeber verboten wird, weil das Problem der Taubheit überhand nimmt. Züchter weisser Katzen haben sich daher zu einer Weiss-Zucht-Charta zusammen geschlossen.

Sonderfall Foreign White

Eine Foreign White ist ebenfalls weiß mit blauen Augen, doch das Problem der Taubheit besteht so nicht. Des Rätsels Lösung ist, daß hier die blauen Augen durch den Maskenfaktor entstehen (cs cs)

Eine Foreign White (engl. Bezeichnung für Orientalisch Kurzhaar weiß) ist also eine Siamkatze im weißen Kleid. Beim heutigem Stand der Zucht sind alle heterozygot (mischerbig) für weiß, also Ww.

Nach dem Vorbild der Foreign White kann in allen Rassen, in denen Varietäten mit Maskenfaktor anerkannt sind, eine weiße blauäugige Katzen ohne Gefahr der Taubheit gezüchtet werden. Dies ist z.B. möglich durch die Verpaarung von weißen Persern, bzw. Exotic Shorthair mit Colourpoint Persern, durch die Verpaarung von Britisch Kurzhaar weiß mit Britisch Kurzhaar Colourpoint oder die Verpaarung weißer und Si-Rex.

Rassen in denen die Standards keine Maskenfärbung erlauben, müssen durch strenge Selektion versuchen Linien zu bilden, in denen auch blauäugige Katzen ein einwandfreies Gehör haben oder auf diese Augenfarbe vorerst verzichten.

kimba the fabulous, maine coon

Bitte nicht verwechseln

Auch ein Albino zeigt sich im weißen Fell, doch hier sind ganz andere Kräfte am Werk. Es sind die Gene der C-Serie, wobei ca einen blaß-blauäugigen und c einen Albino mit rosafarbenen Augen bewirkt. Der Albinismus wird durch eine Blockade der Melaninsynthese durch das Fehlen des Enzyms Tyrosinase in den Melanozyten bewirkt. Es ist also ein chemisches Problem. Die Sinneshaare im Innenohr und die Körperhaare sind stabilisiert durch Einlagerung von farblosem Pigment (eigentlich ein Widerspruch in sich, doch hier kommt es nur auf die mechanische Wirkung an), deshalb tritt auch keine Taubheit auf.

Katzen mit einem sehr hohen Anteil an Scheckungsweiß können ebenfalls unter Taubheit leiden, besonders wenn sie ein oder zwei blaue Augen haben. Die Erklärung dafür ist, daß auch das Scheckungsweiß durch Leuzismus entsteht. Das Gen S für Scheckung tut seine Wirkung nur zeitlich etwas später, als das Gen W, es ist also nur unvollständig dominant gegenüber der Wildform. Bei Katzen , die reinerbig für Scheckungsweiß sind, kann diese Wirkung des teilweisen Leuzismus auch das Innenohr oder die Augen erfassen. Die Probleme sind dann die selben, wie bei den epistatisch weißen Katzen.

 

Der weiße Mantel

Alle weißen Katzen, auch die homozygoten (reinerbigen), tragen also unter ihrem weißen Mantel die Farbgene, die sie von ihren Vorfahren geerbt haben. Sie können sie nicht zeigen, aber sehr wohl vererben. Auch das Scheckungsgen S (siehe Folge 9) kann von einer epistatisch weißen Katze getragen werden. Da auch das Scheckungsgen die Ausbreitung von pigmentbildenden Zellen verhindert, verdoppelt sich natürlich die Gefahr der Taubheit. Weißgescheckte Katzen sollen deshalb nicht mit epistatisch weißen Katzen verpaart werden.

Welche Farb- und Zeichnungsgene eine weiße Katze verborgen trägt, kann nur aus dem Stammbaum ersichtlich werden. Einige geben allerdings einen kleinen Hinweis: in den ersten Wochen nach der Geburt ist am Kopf noch ein kleiner gefärbter Fleck zu sehen, der später verschwindet. Dieser Fleck ist leider nicht bei allen Kitten vorhanden, sodaß am Studium der Elternstammbäume und dem Erstellen von Kreuzungstabellen kein Weg vorbei führt. Damit wird sich die nächste Folge befassen.

Zusammenfassung

Epistatisch Weiß entsteht in der frühembryonalen Entwicklung. Das Gen W verhindert die Ausbreitung pigmentbildender Zellen, mit anderen Worten: die pigmentbildenden Zellen sind vorhanden, aber nicht am richtigen Platz, der Körperoberfläche, sondern nur den Organen, die dem Gehirn am nächsten liegen, also Auge und evtl. Innenohr. Dadurch entstehen veränderte Augenfarbe und vermindertes Dämmerungssehen, Gefahr der Taubheit, erhöhte Hautkrebsgefahr und besonders pflegebedürftiges Fell. Albinos entstehen durch einen anderen chemischen Vorgang durch die Gene c und ca . Die pigmentbildenden Zellen sind also vorhanden, aber durch falsche chemische Zusammensetzung ist das Pigment farblos. Das Gen cs bewirkt die Produktion von temperaturempfindlichem Pigment und blaue Augen. Durch die Kombination der Gene Ww und cscs (Maskenfaktor) können blauäugige weiße Katzen ohne Gefahr der Taubheit gezüchtet werden, da W dominant ist und die gefärbten kalten Körperpartien einer Katze mit Maskenfaktor überdeckt. Die Zucht weißer Katzen erfordert besondere Sorgfalt und genetisches Wissen. Erst künftige wissenschaftliche Studien werden letzten Aufschluss geben über die Wirkung des Gen W auf das Hörvermögen.